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\begin{DSarticle}[
title={Medienkompetenz- und Informatikunterricht - eine Bestandsaufnahme, 2017},
author={Chaos macht Schule Projekt},
runninghead={Medienkompetenz- und Informatikunterricht},
DSabstract={
Im Rahmen von Chaos Macht Schule geben wir seit über 10 Jahren Workshops in der thematischen Schnittmenge von Technik und Gesellschaft. Dabei erhalten wir viele Einblicke in die Schulen und ihren Umgang mit digitalen Technologien. Parallel verfolgen wir die bildungspolitischen Entwicklungen, die wir oft nicht als zielführend und zu Ende gedacht empfinden. Wir beschreiben die konkrete Situation an Schulen und die aktuellen Herausforderungen, bevor wir einen Überblick über die Entwicklungen in der Bildungspolitik geben. Darauf basierend haben wir Forderungen für eine zeitgemäße digitale Bildung formuliert.
}
]
\section{Chaos macht Schule - Das Bildungssystem hacken}
Während Computer mittlerweile in so ziemlich alle Lebensbereiche eingezogen sind, hat sich der Unterricht in den letzten 20 Jahren in Bezug auf diese Digitalisierungsprozesse kaum verändert. Obwohl Smartphones, das Internet und soziale Netzwerke zentraler Bestandteil der heutigen Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern geworden sind, spielen digitale Medien im Unterricht kaum eine Rolle. Auch heute sind Computerräume an Schulen meist immer noch separate und meist verschlossene Räume, obwohl jeder Schüler ein Smartphone in der Tasche trägt.
Aufgrund dieses Ungleichgewichts zwischen der realen Welt und dem Schulalltag erhielten 2007 erste lokale CCC-Gruppen Anfragen ob Hacker für Workshops in die Schulen kommen könnten, um Schülerinnen und Schüler etwas über das Internet zu erzählen. Erste Schulen verstanden, dass das Internet ein für die Jugendlichen wichtiges Thema darstellt, über das beim Lehrpersonal kaum Wissen vorhanden ist. Die von uns durchgeführten Workshops sprachen sich herum, es folgten weitere Anfragen. So entstand unser Projekt "Chaos Macht Schule".
In unseren Workshops sprechen wir Schülerinnen und Schüler in ihrer eigenen Lebenswelt (Smartphones und soziale Netzwerke) an und diskutieren mit ihnen die Chancen und Risiken digitaler Technologien. Dabei ermöglichen wir einen Blick hinter die Kulissen der digitalen Welt, von der sonst nur die grafischen Oberflächen bekannt sind. Wir möchten in unseren Workshops mit Heranwachsenden keine Vorschriften machen oder gar die politischen Standpunkte des CCCs vermitteln, sondern die Teilnehmenden durch neues technisches Wissen befähigen, die Folgen ihres Handelns mit Technologie einzuschätzen und sich eine eigene Meinung bilden zu können. Mit Chaos Macht Schule verfolgen wir das zentrale Ziel, die digitale Mündigkeit bei Schülerinnen und Schülern zu fördern. Wir sehen unser Angebot als wichtige Ergänzung zu den klassischen Inhalten des viel zu selten angebotenen Informatikunterrichts wie Programmieren, der Bedienung eines Office-Pakets oder die von uns auch angebotenen Lötworkshops.
Da die Technik- und Internetnutzung von Kindern und Jugendlichen oft mit ihren Eltern zusammenhängt, geben wir auch Vorträge für Eltern. Gleiches gilt für Lehrende und andere Multiplikatoren, von denen wir uns erhoffen, dass sie unser Wissen weitertragen.
Neben unseren Schulworkshops bringen wir uns mit Vorträgen oder durchs Besuchen lokaler Veranstaltungen in Diskussionen rund um die Digitalisierung an Schulen ein. Wir beraten Organisationen im Umgang mit Jugendlichen und Technik und unterstützen uns generell gerne gegenseitig. Auch waren wir schon öfters Ansprechpartner für die Presse, wenn es darum ging, technisch gerade relevante Themen wie beispielsweise Chat Bots zu veranschaulichen.
Chaos Macht Schule ist in etwa 15 verschiedenen Städten in Deutschland und Österreich aktiv. Wir betreiben das Projekt in unserer Freizeit und ehrenamtlich. Manche Ortsgruppen geben etwa 30 Workshops im Jahr, an anderen Orten sind es aber lediglich eine handvoll.
Die vielen Workshops, die wir seit Jahren bundesweit an Schulen durchführen, geben uns einen umfassenden Einblick, was die Schüler, Lehrer und Eltern bezüglich der Digitalisierung beschäftigt. Wenn wir zum Beispiel mit Lehrern darüber sprechen, wie bestimmte Themen im Unterricht aufgegriffen werden könnten, zeigt ihr Feedback auch, welche systemischen Probleme vorhanden sind. Unsere Gespräche mit Schülern zeigen, wie unterschiedlich die Vermittlung von digitalen Themen zwischen den Schulen, gar schulintern zwischen Klassenstufen, variiert oder dass Kompetenzen gar nicht vermittelt werden, weil sie den "Digital Natives“ fälschlicherweise unterstellt werden.
\section{Ein Blick hinter die Schulkulissen}
Unser Bild von den Schulen ist so bunt wie die Schullandschaft und die Lehrerschaft selbst. Wir stellen aber auch fest, dass es nicht genügt, über fehlende Technik oder mangelhafte Einbindung von digitaler Technik in den Unterricht zu sprechen: Neben der technischen Ausstattung müssen wir auch über administrative Rahmenbedingungen sprechen und insbesondere über verschiedene inhaltlichen Aspekte der digitalen Bildung.
\subsection{Schule und Technik}
Auch wir stellen fest, dass es um die oft bemängelte technische Ausstattung der Schulen nicht gut bestellt ist: So gibt es meist zu wenige oder veraltete Computer, um sie sinnvoll im Unterricht einzusetzen. Ein Internetzugang steht den Schülern nur in Ausnahmefällen zur Verfügung. Dass die Beschäftigung mit Computern immer noch als ein quasi vom normalen Unterricht abgekoppeltes Add-on ist, manifestiert sich darin, dass es separate und in der Regel verschlossene Computerräume gibt, die nur sporadisch von Klassen genutzt werden. In vielen Klassenräumen selbst stehen zwar beispielsweise Smartboards zur Verfügung, erfahrungsgemäß werden diese aber eher wie Tafeln eingesetzt, auf denen man auch Filme zeigen kann.
Die größten Schmerzpunkte liegen allerdings nicht in der technischen Ausstattung selbst, sondern darin, dass die Lehrkräfte viel zu wenig Unterstützung beim Einsatz der vorhandenen Technik bekommen. So ist es in Schulen üblich, dass die Informatiklehrkraft (wenn überhaupt vorhanden) oder eine fachfremde, aber IT-affine Lehrkraft sich um die Administration der Geräte kümmern muss eine Aufgabe, für die Lehrerinnen und Lehrer nicht ausgebildet sind, auch InformatiklehrerInnen nicht. Das führt dazu, dass die Geräte entweder nur sehr rudimentär gewartet werden können, oder die verantwortlichen Lehrkräfte unverhältnismäßig viel Zeit in die Aufgabe stecken meist fällt beides zusammen. Zusätzlich bekommen sie für diese Aufgabe ein nur geringes Lehrdeputat angeschrieben, das nicht im Verhältnis zur Aufgabe steht: Nicht umsonst stellen Firmen für diese Aufgaben extra gut bezahlte System-Administratoren ein, die die IT-Infrastruktur in Vollzeit pflegen und gestalten.
Fehlende Ressourcen machen sich auch bemerkbar, wenn es darum geht, vorhandene Technik in den Unterricht einzubinden. Lehrkräfte erhalten so gut wie keine Unterstützung darin, wie sie ihren Unterricht bezüglich „digitaler Kompetenz“ umgestalten können. Wir hören von Lehrerinnen und Lehrern immer wieder, dass sie hierzu gern mehr machen würden, sie aber nicht ausreichend Zeit und Sachbücher, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind, zur Verfügung haben, um sich das notwendige Wissen anzueignen. Dass auch Lehrpläne in den Augen einiger Lehrerinnen und Lehrer nicht immer den gewünschten Spielraum lassen (eine Diskussion, die wir hier nicht vertiefen können) vereinfacht die Situation zumindest nicht.
Auf der anderen Seite sehen wir viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer (sicherlich auch mit einer guten Portion technischem Vorwissen), die etwas verändern wollen, Neues ausprobieren und dafür auch mehr arbeiten, als sie müssten. Aber sie haben eben nicht die Ressourcen, um auch alle Kollegen mitzunehmen: sie in der Bedienung der Technik zu schulen, ihnen bei den vielen kleinen Fallstricken in der alltäglichen Computernutzung zu helfen, oder ihnen Anregungen zu geben, wie sie Themen der „digitalen Welt“ auch ohne Computernutzung in den Unterricht integrieren könnten.
Zudem gehen manche IT-engagierten Lehrkräfte mit einer viel zu unkritischen Haltung an die komplexe Thematik heran, insbesondere was den sorgsamen Umgang mit Schülerdaten angeht. Ein Beispiel ist die Integration von Facebook oder Google-Diensten in den Unterricht. Einen Vorwurf kann man ihnen nur bedingt machen, da dies jahrelang kein Thema der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften war.
Diese Probleme, dass Schüler viel zu wenig an digitale Technik, ihre Möglichkeiten, Grenzen und Risiken herangeführt werden, sind systemimmanent und gelten auch für Schulen, die eine vergleichsweise gute Ausstattung haben. Wir gewinnen den Eindruck, dass die Bildungssysteme eine quasi beiläufige Aneignung von Technik für den Unterrichtsalltag als unproblematisch erachten. Vorhandene Technologie kann aber letztlich den Unterrichtsalltag nur bereichern, wenn sie durch eine entsprechende Lehreraus- und Fortbildung sowie durch eine adäquate technische Administration unterstützt wird.
\subsection{Digitaler Unterricht oder Unterricht zu digitalen Themen?}
Wenden wir uns nun von der technischen Ausstattung dem Unterricht zu. Wir stellen in unseren Workshops und Gesprächen fest, dass die Blickwinkel auf digitale Bildung sehr unterschiedlich sind. Da diese aber häufig in Bildungsdiskussionen nicht transparent werden, erfolgt die Verständigung darüber, was Schulen erreichen wollen oder was sie dafür brauchen, meist zu undifferenziert. Aus unserer Arbeit mit Schulen lassen sich die folgenden drei Aspekte extrahieren:
\subsubsection{Unterricht medial unterstützen}
Bei diesem Aspekt ist das Ziel, Computer bzw. verschiedene Softwaresysteme zu nutzen, um den Unterricht inhaltlich oder administrativ zu unterstützen:
Lehrkräfte können den Unterricht interessanter gestalten, Inhalte besser oder anschaulicher vermitteln. Mit der Nutzung der Systeme lernen auch Schülerinnen und Schüler, mit der Technik umzugehen. Durch Online-Tests werden Selbstlernphasen unterstützt und Lehrkräfte bezüglich Korrekturaufwand entlastet. Digitale Klassenbücher und andere Verwaltungstools vereinfachen den Schulalltag zusätzlich. Auf der anderen Seite erweitern die Systeme auch die Handlungsräume der Schüler, zum Beispiel, indem sie sich mit Lerngruppen vernetzen, kollaborativ Texte o.ä. gestalten können oder Informationen aus weiteren Quellen zusammentragen als nur aus einem Schulbuch.
Diese Betrachtung von digitaler Technik im Unterricht ist notwendig und gewinnbringend, aber nicht das Einzige, worauf Schulen abzielen sollten. Denn hier geht es erst einmal nur um die Unterrichtsgestaltung selbst und die dafür genutzten Werkzeuge und nebenbei um den Erwerb von punktuellem Anwendungswissen. Diese Perspektive befasst sich aber noch nicht damit, Schülerinnen und Schülern ein Verständnis über die Technik selbst und ihre Funktionsprinzipien zu vermitteln, geschweige denn, diese kritisch zu reflektieren.
\subsubsection{Informatik- undAnwendungs-Unterricht}
Ein weiterer Aspekt ist, Schülerinnen und Schülern gezielt technisches Wissen zu vermitteln, also moderne Fachkompetenz, die sie auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. In diesem Feld sind Schulen sehr unterschiedlich aktiv und bieten, wenn überhaupt, ihren Schülerinnen und Schülern auch komplett unterschiedliche Themen an. Die einen lernen reines Anwendungswissen: wie bedient man ein Mal-, Textverarbeitungs- oder Tabellenkalkulationprogramm oder einen Browser. Die Vermittlung von solchem Anwendungswissen stellt allerdings keinen Informatik-Unterricht dar.
Andere Schulen gehen weiter und vermitteln Informatik-Kenntnisse; aber auch hier wieder in sehr unterschiedlicher Tiefe. Die einen machen ein wenig Web-Design, die nächsten lernen eine Programmiersprache, und vereinzelt geht es sogar um Netzwerke und den Aufbau von Computern. Diese Inhalte werden allerdings meistens von fachfremden Lehrern unterrichtet, was den Erfolg solchen Unterrichts doch sehr fraglich erscheinen lässt.
\subsubsection{Digitale Mündigkeit vermitteln}
Der für uns allerdings wichtigste Aspekt ist die digitale Mündigkeit der Schülerinnen und Schüler und damit auch der Lehrkräfte. Das Ziel ist, dass Schülerinnen und Schüler lernen, aktuelle technologische Entwicklungen einzuschätzen bezüglich ihrer Chancen, aber auch ihrer Risiken oder einfach ihrer Auswirkungen auf unseren Alltag oder unser Handeln.
Durch die vielen Anfragen der Schulen an unser Bildungsprojekt "Chaos macht Schule" erkennen wir, dass genau hier großer Aufklärungs- und Diskussionsbedarf besteht. Das spiegelt sich auch in den Fragen der Schüler wieder, die sie in unseren Workshops rund um die Technologie und die Apps, die sie täglich nutzen, stellen. Mit den fachlichen Impulsen unsererseits beginnen sie meist schnell, Zusammenhänge oder unterschiedliche Interessensgruppen zu erkennen, Funktionalitäten in Frage zu stellen oder Chancen und Risiken zu diskutieren.
Dementsprechend ist ein sehr zentrales Thema unserer Arbeit der Datenschutz bzw. die Frage, was mit unseren Daten alltäglich so passiert. Zwar konnten wir über die Jahre feststellen, dass die Sensibilisierung zum Thema Datenschutz zugenommen hat. Die Thematik wird aber hauptsächlich im Kontext von sozialen Medien und Mobbing diskutiert. Eine Ausweitung auf andere Bereiche wie z.B. Einkauf, Telekommunikationsüberwachung, Datensicherheit (auch: Identitätsdiebstahl), oder auch von der anderen Seite der offenen Daten findet so gut wie nicht statt.
\subsection{Aufdem eg zur Alphabetisierung}
Mit dieser Unterscheidung von Perspektiven auf Bildungsfragen bezüglich digitaler Technologie und Kompetenz lässt sich auch differenzierter über Herausforderungen und Bedarfe diskutieren.
Der erste Blickwinkel ist ein vornehmlich medienpädagogischer mit dem Fokus darauf, wie gute Lehre gestaltet und Computer dafür fächerübergreifend verwendet werden können. Konzepte als auch Softwareanwendungen werden seit vielen Jahren schon entwickelt und erprobt.
Mit der Integration von Informatik-Themen in das Schulcurriculum ist es zwar noch nicht so weit, obwohl es schon Anfang der 1990er Jahre vereinzelte Informatik-Kurse an Schulen gibt. Aber insbesondere in der letzten Zeit sind einige durchaus durchdachte Konzepte vorgelegt worden, die derzeit intensiv diskutiert werden (siehe nächsten Abschnitt).
Die dritte Perspektive wird unserer Erfahrung nach aber kaum konzeptionell und im größeren Kontext bearbeitet oder diskutiert. Dabei lassen sich viele dieser Themen, die so zentral sind für unsere heutige digital und mit Daten gestaltete Welt, im Schulunterricht auch ohne großen Technologiefuhrpark aufgreifen. Natürlich hilft das Anwendungs- und Informatikwissen dabei, diese Themen zu diskutieren und einzuordnen. Einzelne Lehrkräfte und Schulen gehen hier bereits vielversprechende Wege, die aber bisher aus o.g. Ressourcenproblemen scheinbar (noch) nicht skalierbar sind.
\section{"Sprung nach vorne" - ins digitale Neuland}
Dass Handlungsbedarf besteht, sehen nicht nur wir in unserer Arbeit mit den Schulen, sondern wird auch in Vergleichsstudien, die sich mit der Medienkompetenz unserer Schülerinnen und Schüler befassen deutlich (vergl. z.B. [1]). ( )
Entsprechend ist der Handlungsbedarf mittlerweile auch in den oberen politischen Etagen Konsens. Dies zeigt sich am Strauß von Strategiepapieren der damit befassten Kultusministerien (KM) der 16 Bundesländer, da Bildung Ländersache ist. Die Länder koordinieren sich dabei in der Kultusministerkonferenz (KMK) zusammen mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Diese Konferenz schreibt in ihrem Ende 2016 gemeinsam beschlossenen, zentralen Strategiepapier zu "Bildung in der digitalen Welt" [2] ( ):
"Wenn sich in der 'digitalen Welt' die Anforderungen an Schule und damit an alle Lehrkräfte nachhaltig verändern, dann wird perspektivisch Medienbildung integraler Bestandteil aller Unterrichtsfächer sein und nicht mehr nur schulische Querschnittsaufgabe. Alle Lehrkräfte müssen selbst über allgemeine Medienkompetenz verfügen und in ihren fachlichen Zuständigkeiten zugleich 'Medienexperten' werden."
Dies ist aus unserer Sicht eine sehr wichtige Forderung. Leider bleibt der Begriff "digitale Welt" ungeklärt und bezieht sich scheinbar hauptsächlich auf Medien für den Unterricht bzw. aus dem privaten Alltag der Schüler. Denn der Begriff "Medienexperten" wird wie folgt umrissen:
"Konkret heißt dies, dass Lehrkräfte digitale Medien in ihrem jeweiligen Fachunterricht professionell und didaktisch sinnvoll nutzen sowie gemäß dem Bildungs- und Erziehungsauftrag inhaltlich reflektieren können. Dabei setzen sie sich mit der jeweiligen Fachspezifik sowie mit der von Digitalisierung und Mediatisierung gekennzeichneten Lebenswelt und den daraus resultierenden Lernvoraussetzungen ihrer Schülerinnen und Schüler auseinander."
Es geht also nur darum, digitale Medien gezielt einzusetzen und der Begriff "Mediatisierung" fällt, ohne dass er genauer ausgeführt wird. Sicherlich müssen Lehrerinnen und Lehrer dazu einen Überblick über die Medienwelten unserer Schülerinnen und Schüler haben, was aber gar nicht so einfach ist, da die verwendeten Dienste und Geräte schnellen Änderungen unterworfen sind. Dies benötigt viel Zeit, auch im Unterricht, da die jeweils bei den Schülerinnen und Schülern aktuellen Medien in Erfahrung gebracht und Unterrichtskonzepte ggf. angepasst werden müssen.
Aus diesen Beschlüssen erwächst also ein enormer Aus- und Fortbildungsbedarf, den es neben der fehlenden IT-Ausstattung und deren Wartung zu finanzieren gilt. Im Strategiepapier wird jedoch nur die Lehrerausbildung erwähnt:
"Das Ziel aller Schularten, die Schülerinnen und Schüler zu befähigen, die eigene Medienanwendung kritisch zu reflektieren und Medien aller Art zielgerichtet, sozial verantwortlich und gewinnbringend zu nutzen, gehört damit perspektivisch in jedes fachliche Curriculum. Daher ist in der fachspezifischen Lehrerbildung für alle Lehrämter die Entwicklung entsprechender Kompetenzen verbindlich festzulegen."
Was ist mit den bereits unterrichtenden Lehrkräften? Interessanterweise gibt es dazu nur zur Ausbildung bereits eine Aussage in einem KMK-Beschluss von 2012 [3] ( ):
"Medienbildung [ist] sowohl in den Bildungswissenschaften als auch in der fachbezogenen Lehrerausbildung der ersten und zweiten Phase in den Prüfungsordnungen ausreichend und verbindlich zu verankern. Diese grundlegende Ausbildung für Lehrkräfte muss fortgeführt und ergänzt werden durch entsprechende bedarfsgerechte Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote, in denen Medienkompetenz und medienpädagogische Kompetenzen für bestimmte Anwendungssituationen und Aufgabenstellungen im Zusammenhang von Schule und Unterricht vermittelt und erworben werden können."
Es scheint wirklich nur darum zu gehen, neue Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, aber nicht die bereits "fertigen" Lehrkräfte mitzunehmen. Im Übrigen ist es kein gutes Zeichen, wenn bereits 2012 solche konkreten Beschlüsse wie der obige gefasst wurden, augenscheinlich aber nicht viel "unten" bei den Schulen angekommen ist.
Sollen sie sich das nötige Fachwissen über Digitalisierung im Allgemeinen, die in der Schule neu eingeführte Technik und die daraus ermöglichten neuen Unterrichtsformen selbstständig in den Schulferien aneignen? Und parallel mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen und die verwendeten Dienste erfahren plus diese kritisch reflektieren, um dadurch die Schülerinnen und Schüler als Experten begleiten zu können?
Selbst wenn die erwähnten Fortbildungs/Quali-Angebote aktuellen Lehrkräften zur Verfügung stünden, so würde aber dennoch ein Konzept für diese Zielgruppe fehlen, weil diese ja die erwähnte Grundausbildung nicht genossen haben. Allerdings muss auch gesagt werden, dass solche Angebote - 2012 gefordert - bis heute nicht in ausreichender Form zur Verfügung stehen.
Der Fokus der beiden Dokumente ([2],[3]) liegt stark auf mediengeleitetem Unterricht, mit dem allein man jedoch nicht alle Ziele der digitale Mündigkeit erreicht. Dass technische Grundkompetenzen unerwähnt bleiben und damit nicht verbindlich für die KM der Länder sind, verstärkt diese Problematik weiter. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf Schule insgesamt nicht klar angesprochen werden bzw. dass die Lehrkräfte selbst die von uns geforderte digitale Mündigkeit besitzen müssen, um ihrer Aufgabe gerecht werden zu können und auch hier besteht ein hoher Fortbildungsbedarf. Es wirkt so, als ob den Entscheidungsträgern der KM die Expertise fehlt, dies überhaupt zu erkennen. Umso wichtiger ist es, dass die KM den Rat von unabhängigen Experten einholen und bei der Umsetzung der Strategie berücksichtigen.
Trotz der falschen Schwerpunkte in den Bildungszielen und der mangelnden Berücksichtigung bereits unterrichtender Lehrkräfte ist das Strategiepapier der KMK ein wichtiger Schritt nach vorn, wenn es von den einzelnen Ländern gut umgesetzt wird.
Da für diese Umsetzung sehr viel Geld benötigt wird, unterstützt der Bund laut einer Pressemitteilung von Bildungsministerin Wanka Ende 2016 [4] ( ) unsere Schulen:
"Das BMBF bietet demnach an, über einen Zeitraum von fünf Jahren mit rund fünf Milliarden Euro die rund 40.000 Grundschulen, weiterführenden allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen in Deutschland mit digitaler Ausstattung wie Breitbandanbindung, W-LAN und Geräten zu versorgen. Im Gegenzug sollen sich die Länder verpflichten, die entsprechenden pädagogischen Konzepte, die Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie gemeinsame technische Standards umzusetzen."
Auf Basis der genannten Zahlen erhält jede deutsche Schule ca. 125.000€ für IT-Infrastruktur vom Bund. Dies klingt erst einmal viel, jedoch kostet der WLAN-Ausbau einer Schule bereits ca. 35.000€ [5] (!5241118/), zuzüglich Wartungskosten, die jährlich in etwa gleicher Größenordnung liegen werden (in der Wirtschaft plant man für jeden Euro Hardware ca. einen Euro laufende Kosten pro Jahr ein), sodass der vom Bund zur Verfügung gestellte Geldbetrag bald aufgebraucht ist. Bei dieser Rechnung wurden aber außer dem WLAN noch keine weiteren Komponenten wie bspw. Computer eingekauft.
Für diese Komponenten und die jährlichen Wartungskosten müssten in Deutschland die Schulträger aufkommen, also die Städte und Kommunen. Aber diese sind unterschiedlich finanzstark, was man schon heute am Zustand der Toiletten vieler Schulen ([6],[7]) ( bzw. ) erkennt. Sinnvolle Wartungskonzepte dieser IT-Infrastruktur sind also nicht gesichert.
Wir befürchten, dass mit dieser Strategie die von uns jetzt schon beobachtbaren Phänomene, nämlich dass vorhandene Technik nicht sinnvoll nutzbar ist, bestehen bleiben oder gar verstärken und sich die ja durchaus sinnvolle Finanzspritze als Verschwendung von Steuergeldern erweist. Nicht zuende gedachte und damit fehlerhafte Konzepte baden am Ende unsere Lehrkräfte aus, was deren z.T. negative Haltung gegenüber sicherlich nötigen Veränderungen weiter bestärkt und zukünftige Reformen erschwert.
Schauen wir uns das einmal konkret am Ländle Baden-Württemberg an. Der neue Bildungsplan von 2016 [8] ( ) berücksichtigt die in der KMK beschlossenen Punkte und Medienkompetenz ist als "Leitperspektive" fächerübergreifend zu unterrichten. Das Land überlässt aber den Schulen, wie sie diese Vorgabe konkret umsetzen. Das macht es sehr unverbindlich, was sicherlich nicht im Sinne der Schülerinnen und Schüler ist, und es mutet den Schulen eine große Aufgabe zu, während sie zusätzlich mit neuen Fächern wie Wirtschaft etc. beschäftigt sind und ihre Fortbildungszeit darauf verwenden müssen.
Die Liste der Probleme der baden-württembergischen Schulen lässt sich weiter fortsetzen. Da könnten man den Tablet-Pilot an beruflichen Schulen nennen oder die Diskussionen zu einem geplanten Fächerverbund Informatik-Mathematik-Physik. Als weiteres Beispiel betrachten wir jedoch nur die Einführung von Informatikunterricht in Klassenstufe 7 etwas ausführlicher. Das aus unserer Sicht größte Problem ist, dass die Informatik in Klassenstufe 7 im kommenden Schuljahr 2017/18 nur an Gymnasien unterrichtet werden wird, was eine Diskriminierung zahlreicher Schülerinnen und Schüler der anderen Schulformen darstellt. Die Einschränkung auf Gymnasien wird wohl einer verfehlten LehrerFortbildungspolitik geschuldet sein, denn es mangelt erheblich an ausgebildeten Informatiklehrerinnen und -lehrern. Aktuell werden in einer zweitägigen Veranstaltung Programmierung und Grundlegendes zum Aufbau von Computern und Netzwerken vermittelt. Die teilnehmenden Lehrkräfte, die andere Fächer studiert haben, sollen danach das Fach Informatik korrekt unterrichten und eine versetzungsrelevante Note geben.
In der Studie der Körberstiftung über den "Digitaler Bildungsstandort Hamburg" [9] ( ) werden ähnliche Probleme wie in Baden-Württemberg deutlich. Die Körber-Stiftung betrachtet in ihrem Bericht die aus unserer Sicht so wichtige digitale Mündigkeit unserer Schülerinnen und Schüler [10] ( ), was es wahrscheinlicher macht, dass diese in Hamburg mehr Beachtung findet als in anderen Bundesländern, und das begrüßen wir sehr.
Die Stiftung empfiehlt dabei ausdrücklich eine "kohärente Bildungs- und Qualifizierungsstrategie" und fordert daher ein "klares politisches Bekenntnis, dass digitale Kompetenzen zentraler Schlüssel zur Bewältigung des digitalen Wandels sind" [11] ( ):
Mit der Formulierung "Bewältigung des digitalen Wandels" öffnet die Körberstiftung auch die Diskussion von der engen Sicht auf digitale Medien im Unterricht und fachbezogene Informatik- und Anwendungskenntnisse hin zu der großen Aufgabe, Schülerinnen und Schüler auf gesellschaftliche Fragen und Herausforderungen vorzubereiten, die sich im Zuge der Digitalisierung stellen.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass Bildungsangebote und Lernräume allen Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stehen müssen, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft zu verhindern. Dies halten wir ebenfalls für unabdingbar, denn nicht nur junge Menschen müssen Zugang zu Informationen über den digitalen Wandel erhalten.
Wir stellen fest, dass sich auf politischer Ebene viel tut nach jahrelangem Stillstand. Zu bemängeln bleibt der eingeschränkte Fokus auf Teile der Digitalisierung und nicht auf die digitale Mündigkeit insgesamt und auf fehlende Konzepte, wie man die Lehrkräfte umfassend fortbildet und die dann in Schulen eingesetzte Technik wartet und erhält.
\section{Zurück in die Zukunft?}
Es ist fragwürdig, ob die aktuellen Entwicklungen in der Bildungspolitik bei den tatsächlich bestehenden Problemen an den Schulen helfen und Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen der immer weiter digitalisierten Welt vorbereiten können. Allenfalls richten sich die Bemühungen der Politik nach dem aktuellen Stand der Digitalisierung, als sei diese bereits abgeschlossen. Doch die technischen Entwicklungen gehen weiter, immer neue Technologien erhalten Einzug in unseren Alltag, ohne dass wir als Gesellschaft in der Lage sind, diese umfassend zu diskutieren. Da Anpassungen der Lehrpläne sehr viel Zeit benötigen, ist nicht davon auszugehen, dass sie jemals den schnellen Entwicklungen der IT-Welt standhalten können.
Doch welche Technologien erhalten in 10 Jahren Einzug in unseren Lebens- und Berufsalltag? Wer kann abschätzen, welchen Einfluss das Internet der Dinge, 3D-Druck, selbstfahrende Autos, Machine Learning, künstliche Intelligenz oder gar die Rechenpower von Quantencomputern auf unsere Lebens- und Arbeitswelt der Zukunft haben könnten? Viel spricht dafür, dass sich zahlreiche Berufe grundlegend verändern oder es sie einfach nicht mehr gibt, weil die Aufgaben von Computern erledigt werden. Doch genau auf diese Lebens- und Arbeitswelt von morgen muss die Schule vorbereiten.
Da diese Entwicklung heute niemand voraussehen kann, ist es heute wichtiger denn je, Kompetenzen statt Wissen zu vermitteln. Damit Schülerinnen- und Schüler zukünftig in der Lage sind, die technologischen Entwicklungen richtig einzuordnen und sich souverän im Netz zu bewegen, müssen sich Dinge grundlegend in unserem Bildungssystem ändern. Die Gesellschaft muss in der Lage sein, Themen wie (Netz)politische Entwicklungen, Überwachung oder die Automatisierung der Arbeitswelt aus verschiedenen Perspektiven gesellschaftliche einzuordnen. Das ist heute nicht annähernd der Fall.
Obwohl zahlreiche Probleme seit vielen Jahren bestehen und bekannt sind, passiert auch heute immer noch viel zu wenig in der Bildungspolitik und in den Schulsystemem. Wir befinden uns mitten in einer digitalen (industriellen) Revolution, die die gesamte Welt grundlegend verändert und jeden einzelnen betrifft. Wir können es uns als Gesellschaft nicht leisten, dass diese Entwicklungen nur von einzelnen Personengruppen disktutiert werden, während der Rest der Gesellschaft nicht in der Lage ist, sich in die Diskussionen einzubringen. Das Stellen sozialethischer Weichen kann nur durch einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs und nicht durch einzelne Expertengremien erfolgen.
Unsere Erfahrungen über die technologisch und administrativ-personell schlechte Ausstattung der Schulen und Lehrerausbildung selbst, die oft undifferenzierten Diskussionen zu „digitaler Bildung“ bzw. „Medienkompetenz“ sowie die Vernachlässigung der „Digitalen Mündigkeit“ unserer Schüler im hier erläuterten Sinne hat uns dazu bewogen, die unter [x] ( ) veröffentlichten Forderungen an die Bildungspolitik zu formulieren. Sie sind das Ergebnis.
\cite{schleuder2342schleudern}
% Bibliography einmal bauen
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\begin{thebibliography}{1}
\bibitem{schleuder2342schleudern}
Eris Discordia.
\newblock Datenschleuder nummer 2.
\end{thebibliography}
\end{DSarticle}
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